Artgerechte Haltung
Die Grundlage für einen tiergerechten Stallbau ist das Wissen über das Verhalten der Tiere in ihren ursprünglichen Lebensräumen. Da Rinder ausgesprochen sozial lebende Tiere sind, die den ständigen Kontakt zu ihren Artgenossen suchen, ist die Gruppenhaltung wichtig. Dazu gehören unter anderem Beschäftigung, Sozialkontakt, Rückzugs- und Fressmöglichkeiten. So gehören zu einer artgerechten Haltung von Rindern ein ausreichender Ruhe- und Bewegungsraum, ein gutes Klima und ein umfassender Komfort.
Stallklima
Ein Stallbaukonzept sollte sich an den artgemäßen Bedürfnissen der Bewohner orientieren. Maßgeblich für das Wohlbefinden der Tiere ist besonders das Stallklima. Bei der Planung meines neuen Stalles habe ich daher darauf geachtet, dass eine gute Luftzirkulation besteht und möglichst viel Tageslicht einfallen kann. Tageslicht hat eine wesentlich gesundheitsfördernde Funktionen für das Rind (Tag-Nacht-Rhythmus, Stimulierung der Geschlechtsdrüsen, Vitamin-D-Bildung). So kann unter anderem die Fruchtbarkeit verbessert und die Milchleistung erhöht werden (um 8 % bei mehr als 16 Stunden im Vergleich zu weniger als 13,5 Stunden Licht pro Tag). Um einer Überhitzung vorzubeugen, ist der Stall an der Vorder- und Rückseite offen – hier sind lediglich Windschutznetze angebracht, die je nach Witterung, vor allem in der Übergangszeit, flexibel geöffnet und geschlossen werden können. Auch der Dachfirst des Stalls ist offen – und sorgt damit für noch mehr Tageslicht, Luftabzug und bei Regen für einen Duschbereich, den die Tiere gerne für ihre Fellpflege nutzen. Hierfür sind an mehreren Stellen im Stall auch große Bürsten angebracht, an denen die Rinder sich scheuern können – auch das ist für die Tiere offenkundig eine Wohltat.
Bewegungsmöglichkeit
Bewegung fördert die Gesundheit von Rindern. In freier Wildbahn legen Rinder täglich Strecken bis zu 40 km zurück. In Laufställen dagegen liegen die Wegstrecken zwischen 0,5 und 4 Kilometern pro Tag. Den Rindern stehen großzügige Laufflächen zur Verfügung um deren Bewegungsdrang gerecht zu werden. Einen wesentlichen Einfluss auf die Fortbewegung haben die Art und der Zustand der Lauffläche. Daher habe ich darauf geachtet, dass die Fläche rutschfest und möglichst trocken gehalten wird.
Die Größe der Liege und Lauffläche ist auch aus dem Grunde wichtig, dass die Tiere sich entsprechend der Rangordnung in der Gruppe bewegen können. Rangniederen Tieren ist es dann möglich, jederzeit ausweichen und sich zurückziehen wenn es nötig ist. Konflikte werden so vermieden und es herrscht eine Ruhe im Stall die dem Wesen der Rinder entspricht. Das ist besonders bei unseren Tieren wichtig, denn wir legen Wert darauf, dass Kühe ihre Hörner behalten dürfen, sind sie doch eigentlich ein charakteristischer Teil dieses Tieres und spielen darüber hinaus eine wichtige Rolle für die Kommunikation mit Artgenossen sowie für den Stoffwechsel. Bei einer artgerechten Haltung stellen die Hörner keine Gefahr für Artgenossen oder den Menschen, der mit den Tieren umgeht dar.
Fütterung und Wasserversorgung
Im Winter sowie in der Übergangszeit zum Frühjahr ist die Herde im Wohlfühlstall untergebracht. Dort bekommen die Tiere neben Heu (getrocknetes Gras) auch Grassilage (durch Pressen und Luftabschluss haltbar gemachtes Gras). Die Kälber erhalten Milch der Kühe und hofeigenes Grundfutter. Zu der Stalleinrichtung gehören Fressgitter: Während der Nahrungsaufnahme werden sie mit einfachen Nackenriegeln verschlossen. Dies ermöglicht die individuelle Futterzuteilung und insbesondere bei rangniederen Tieren ein ungestörtes und ruhiges Fressen. Für jedes Tier steht mindestens ein Fressplatz zur Verfügung und ist mit über 80 cm ausreichend breit. Auch der Wasserbedarf muss jederzeit und in ausreichendem Maße gedeckt werden können. Laktierende (milchgebende) Kühe trinken 80 bis 180 Liter am Tag. Daher haben wir 4 Schalentränken installiert. Sie sind mit einer Heizung gegen Frost geschützt.
Entmistung
Hierzu wird eine mechanische Entmistungseinrichtung verwendet. Ein Mistschieber wird über den ebenen Boden gezogen und schiebt den im Fressbereich entstandenen Mist in eine Grube neben dem Stall. Die Anlage läuft 5 mal am Tag. Die Tiere gewöhnen sich sehr schnell daran und stellen sich darauf ein. Die Grube wird geleert und mit einem Güllefass als Dünger auf die Weiden aufgebracht. Nachdem die Tiere wieder auf der Weide sind, wird auch der Festmist verladen und abtransportiert.
Abkalbebucht
Uns ist ein besonders schonender Umgang mit angehenden Mutterkühen und deren Nachwuchs wichtig. Zu den natürlichen Verhaltensweisen von Kühen gehört es, dass sie sich vor der Geburt von der Herde absondern wollen. Um dies auch im Stall zu ermöglichen, haben wir eine spezielle Abkalbebox eingerichtet. Die trächtigen Kühe werden einige Zeit vor der Geburt in die Abkalbebucht gebracht. Diese bietet der Kuh die notwendige Ruhe vor und bei der Geburt (kein Aufjagen durch andere Tiere) und fördert die Konzentration der Kuh auf die Geburt und das Kalb. Es ist genügend Bewegungsspielraum und Platz für die Geburtshilfe vorhanden. Trotzdem bleibt die Kuh während der ganzen Zeit in Sicht- und Riechkontakt mit den anderen Gruppenmitgliedern, da sich die Abkalbebucht direkt neben der Herde befindet. Nachdem zwei Drittel der Geburten in die Nachtzeit fallen, habe ich den Monitor zu einer Überwachungskamera der Abkalbebucht in meiner Wohnung installiert.
Kälberschlupf
Für die Kälber steht ein weiterer abgetrennter Bereich im Stall zur Verfügung – der sogenannte Kälberschlupf. Zu diesem haben nur die Kälber ohne die Mütter eine Zugangsmöglichkeit. Es ist ein Rückzugsort in dem sie ungestört liegen, fressen und sich bewegen können. Er ist mit einer eigenen Futterraufe ausgestattet und hat einen eigenen Zugang zum Schalentränker der Abkalbebucht.
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